Superfast!

Wir waren doch stark hin und her gerissen, ob wir noch in Italien bleiben wollen, oder ob wir nach Griechenland übersetzen.

Essen gehen mit Kind ist oft einsam.

Schließlich haben wir es doch bei der einen Woche in Lecce belassen und dann eine Fähre von Bari nach Patras gebucht. Oder uns geleistet, denn führ die einfache Überfahrt in einer Kabine löhnt man auch in der Nebensaison € 400. Ohne Fliegen verreisen kann sehr teuer werden. Die Fähre fuhr vom Hafen in Bari, der direkt bei der schönen und belebten Altstadt liegt. Bari war für uns bisher nur ein notwendiger Zwischenstopp, Charme konnten wir nicht entdecken. Das lag aber wohl am Bahnhofsviertel, wo sich internationale Handels- und Hotelketten aneinander reihten. Beim Spazieren durch die Gasserl der Altstadt bekamen wir doch Lust zu bleiben und noch ein bissl Spritz zu trinken, aber wir waren schon auf unserer „Superfast II“ eingecheckt und bereit für die nächste Etappe.

Wichtige Sicherheitsschleuse
Warten aufs Boarding


Gusti fand alles wahnsinnig spannend und ist, zu seinem und unseren Leid, fast sechs Stunden munter geblieben.

Als Erste beim Einsteigen – Dank Baby Priorityboarding

Er war dann auf der Fähre schon so drüber, das extreme Interesse das ihm von den Stewards und anderen Passagieren entgegen gebracht wurde, hat ihn auch nicht wirklich beruhigt. Er bekam dann noch beinahe unbegrenzten Auslauf auf dem Helikopterlandeplatz. Unterwegs finde ich es schwierig, ihm ausreichend Krabbelfreiraum zu lassen, man muss immer abwägen, ob es den Dreck wert ist und babyproof sind die wenigsten Räume, in denen wir uns mit ihm bewegen. Die Bewegung hat ihm aber sichtbar gut getan, auch wenn er danach ziemlich grau war. Ich schwör, er ist auf allen Vieren gekrabbelt, Iris glaubt es mir nicht.


Wenn’s wahr ist, dann kommen wir heute zu Mittag in Patras an. Dort finden wir vielleicht einen Bus nach Egio, dort hoffentlich einen nach Rizomylos. Griechenland ist für uns deutlich schwieriger zu recherchieren, die Sprache ist das eine, aber man findet auch sehr wenig online. Deswegen planen wir jetzt mit einigem Buffer und Zwischenstopps Richtung Athen zu kommen. Unterwegs fahren wir dann mit der Odontoto, was das mit Zähnen zu tun hat, wird Iris im nächsten Beitrag erklären.

Was trinken die Matrosen? In der Kabine gebrühten Kaffee aus der Reise-Frenchpress bei der wir das richtige Verhältnis noch nicht rausgefunden haben.

Langsamer Start in Lecce

Für unseren ersten Stopp wollten wir ganz bewusst das Tempo rausnehmen und haben deshalb gleich eine ganze Woche gebucht – und in Lecce waren wir schon 2021, sodass die FOMO etwas reduziert ist (manche von uns leiden darunter mehr als andere).
Und es war wirklich ein perfekter Start in den Urlaub.
Wir haben die Innenstadt besichtigt, waren gut essen und Kaffee trinken. Lecces Altstadt ist malerisch und verwinkelt.
Im großen Belloluogo-Park haben wir unsere Hängematte aufgehängt und Gusti hat das erste Mal sein Mittagsschlaferl darin gemacht.

Babyschlaf ist ja so ein omnipräsentes Thema, mit dem man sich gar nicht genug auseinander setzen kann. Gusti macht aktuell 3 Tagschläfchen, die untergebracht werden müssen. Für das erste gegen 8 Uhr bleiben wir meistens noch daheim, so ist der Start in den Tag entspannter und wir können danach in Ruhe frühstücken. Bei unserem längeren Tagesausflug nach Otranto haben wir uns zügig in seiner ersten Wachphase zusammengerichtet und er hat dann im Zug gepennt.
Zum Glück schläft Gusti unterwegs auch in der Trage, so sind wir flexibel – manchmal beim Spaziergang, manchmal im Zug. Zuhause oder eben in der Hängematte ist er ein Kuschler, da stille ich ihn zum Einschlafen und bleibe bei ihm liegen, Romed macht derweil Essen oder kauft ein, nicht selten schläft er auch neben uns.
Natürlich läuft es nicht immer reibungslos und manchmal weint Gusti vorm Einschlafen, aber im großen und ganzen haben wir hier eine gute Routine, die halt flexibel sein muss, so wie wir selber auch immer. Mit Baby ist halt vieles zwar abseh- aber nicht planbar.

Nach Otranto sind wir am Freitag mit dem Zug, zwei mal umsteigen mit Regionalverbindungen, die letzte war ein absolut klappriger alter Schienenbus, dessen Dieselmotor so manche Unterhaltung übertönt hat. Romed hats natürlich getaugt.
Otranto selber fanden wir dann ganz nett, aber eigentlich etwas enttäuschend, einfach nicht so herausstechend wie zb Siracusa oder Taormina.
Romed hatte dann eh schnell einen Plan, der uns aus der Stadt herausführte. Irgendwo hatte er etwas von unterirdischen Gräbern gelesen, die auf einem Privatgrundstück sind und durch Wohlwollen der Besitzerin besichtigt werden können, wenn man fragt. Soweit, so gut, sind wir also aus der Stadt hinaus spaziert, ein bissi ins nirgendwo unter einer Autobahnbrücke durch bis wir zwischen viel Gebüsch ein Schild zum richtigen „Agroturismo“ erspähten.

Dort sind wir rein und plötzlich schien die Zeit stehen geblieben.
Wir waren an einer kleinen Rezeption, zwischen Kästen aus denen alte Dokumente herausquollen, auf jeder Fläche verstaubte Dekoartikel mit mehr oder weniger Geschmack. Wir blickten auf eine überdachte Terasse, die nach Hochzeitslocation aussah – aber als wäre sie aus einem postapokalyptischen Film. Jeder wackelige Tisch eine andere Tischdecke, vergilbte Sesselverzierungen, zerrissene Häckeldeckerl, schiefe Servierwagerl…
Wir fragten leise „Buongiorno?“ Ins Leere, da tauchte die kleine Dame mit dem dicken blauen Eyeliner auch schon auf, laut telefonierend und gestkulierend. Als sie den schlafenden Gusti erblickte, jauchzte sie vor Entzückung und gleich war er wach. Sie schrie irgendwas von wegen „tesoro“ und „bellissimo“.
Die Verständigung reichte dann aber auch noch weiter aus um zu vermitteln, dass wir die Gräber sehen wollten, da drückte sie uns einen Schlüssel in die Hand und sagte, wir sollten drei Stiegen dort hinunter gehen, das wars auch schon.
Wir gingen vorbei an den Veranstaltungstischen durch einen etwas desolaten Garten zu einem Gittertor im Fels, dahinter ein dunkler Gang. Naja und was soll ich sagen, viel mehr war es auch nicht,  ein dunkler Gang in den Fels, nach ein paar Metern einer runder Raum mit einem von einem Feigenbaum verwachsenen Loch nach oben. Irgendwie mystisch und gleichzeitig underwhelming.

Trotzdem war der Otranto Ausflug sehr gelungen, am Rückweg im Zug lernten wir noch ein österreichisches Paar kennen, Erich und Renate, mit denen wir den ganzen Heimweg plauderten. Erich ist ein gleich großer Zugfan wie Romed, da gab es viel zu besprechen. Sie durften auch kurzerhand die Fahrerkabine des Schienenbuses besichtigen, aber „no photo“. Renate übersetzte für sie das Italienisch des Zugchefs.

Nach zwei chilligeren Tagen in Lecce (Eisenbahnmuseum, Park, Essen und Kaffee trinken gehen) haben wir dann noch einen spontanen Ausflug nach Gallipoli gemacht.
Eine sehr hübsche Stadt mit Altstadt auf einer Halbinsel und einem total schönen Stadtstrand, der auch gar nicht voll war.
Mit unserer Decke und Strandmuschel waren wir bestens ausgerüstet trotz Nachmittagssonne ein bisschen Zeit dort zu verbringen.

Am Bahnhof entdeckte ich dann noch einen total schönen verwunschenen Brunnen mit Papyrus und Goldfischen drin, den ich Gusti zeigen wollte. Und wie ich so mit ihm stand (also er stand, vor zwei Tagen hat er einfach so angefangen sich mit Anhalten wo hinzustellen) und er so herzlich lachte und quietschte,  war das plötzlich einer dieser Momente, wo man so unbeschreiblich glücklich und dankbar ist und sich einfach nur für immer daran erinnern können will.
Reisen mit Baby ist anstrengend und anders als früher, aber es ist unbezahlbar zu sehen,  wie Gusti die Welt entdeckt und wie wir uns zu dritt als Familie neu ordnen.

Reisen zu dritt

Iris und ich sind die letzten Jahre, so wie die meisten Menschen, weniger gereist. Bei uns gibt es aber außer Corona mittlerweile einen weiteren Grund, er heißt Gusti, hat schon ca. acht Kilo und ist schon acht Monate alt.


Wir wissen, dass wir uns eine andere Art zu Reisen angewöhnen müssen, aber nur Nestbau und Ausflug zur Familie in die Steiermark kann auch nicht alles sein, deswegen nutzen wir den Beginn meiner Karenz für eine kleinere Reise nach unserem Geschmack, möglichst baby- und elterntauglich. Eine gewisse Entschleunigung tut uns sowieso gut, einer der größten Fehler unserer Reise 2019 durch Zentralasien war sicher, dass wir an keinem Ort länger als vier Nächte blieben. Das wollen wir dieses Mal vermeiden. Wenn wir es bis Ende Juni nach Georgien und zurück schaffen, dann gut, wenn nicht, dann fliegen wir halt wieder mal oder wir werden irgendwie anders umdisponieren.

So der Plan, trotzdem sind wir gleich am ersten Tag der Reise bis nach Lecce in Süditalien durchgestartet. Der Nachtzug brachte uns planmäßig langsam nach Rom. Gusti und ich sind dann zum Vatikan gepilgert, Iris hat sich in einem Stundenhotel erholt, sie war noch ein bisschen krank. Das heißt jetzt übrigens viel edler „day use hotel“, dürfte aber sehr das gleiche sein.


Ein paar Stunden später ging es mit dem unwesentlich schnelleren Frecciargento nach Lecce. Wir haben ein ziemlich günstiges Erste Klasse Ticket bekommen, aber der Zug war sehr beengt und voll, unser Gepäck hatte nirgends Platz – das war aber auch schon der unangenehmste Teil des ersten Reisetags.
Wir sind halt auch mit überdurchschnittlichem Reisegepäck unterwegs. Wir haben einen Radanhänger zum Gepäckwagen umfunktioniert, in dem wir alles, was wir so brauchen und ein bisschen mehr mitschleppen. Theorethisch könnte der Hänger auch als Kinderwagen dienen, Gusti ist aber leider ein ziemlicher Wagerlverweigerer. Deswegen hängt er meistens in der Babytrage an einem von uns vorne dran. Diese Konstellation konnten wir schon vor einem Monat auf Sizilien testen, dort war sogar noch das Gepäch meiner Schwester (und Gustis Patin) Anna aufgeladen.

Wo ist Anna?


Nach fünf Stunden im Pendolino waren wir dann in Lecce.

Der nächtliche Spaziergang durch die Hauptstadt des Salentino tat gut, Gusti war schon längst im Nachtschlafmodus in der Trage. Wir sind dann bei unserem Airbnb-Host Marco angekommen, der uns sein Gästezimmer vermietet hat. Vor der Buchung habe ich mich noch erkundigt, ob er sich mit einem Baby auch gerne seine Wohnung teilen möchte. Na sicher, kein Problem. Dass dieses manchmal zu den unangenehmsten Zeiten schreit, war ihm anscheinend nicht ganz bewusst. Gut, Gusti ist da jetzt nicht das anstrengendste Baby, aber die Nächte sind nicht immer störungsfrei.


Den ersten vollen Tag hier sind wir sehr ruhig angegangen, bei Caffe Leccese, Focaccia und Pasticciotto haben wir Orte wiederentdeckt, die uns bei unserem ersten Besuch vor zwei Jahren schon gefallen haben. Das wünschen wir uns von dieser Reise, wir möchten mit Gusti Orte besuchen, die uns zu zweit schon sehr gut gefallen haben, wo wir es uns nur dachten und dann auch immer öfter ausgesprochen haben, dass wir dann mal mit Familie zurückkommen möchten. Gleichzeitig hoffen wir, neue Orte zu entdecken und Erinnerungen zu sammeln.

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