Doğu

Nach unserem mittelprächigen Ausflug in die Welt des Cluburlaubs waren wir zumindest gut ausgeruht und bereit für den beschwerlicheren Teil der Reise. Mit Taxi und S-Bahn ging es erst nach Izmir, der drittgrößten Stadt der Türkei. Wir waren angenehm überrascht, nach dem sehr touristischen und unsympathischen Kusadasi gefiel uns das bisschen was wir von der Stadt sahen. Schon die Fahrt hin war für Gusti ein Abenteuer, er wurde von Wildfremden geherzt und geknuddelt, nur die junge iranische Ärztin, die laut Eigenangabe „mit Kindern üben muss“, fand er auch ein wenig unbeholfen und so wurde für sie nichts aus einen Richtungswechsel zur Pädiatrie. Wir hatten aber ein spannendes Gespräch mit ihr über die Situation in ihrer Heimat. Sie war auf der Heimreise, und konnte sich nicht aus vollen Herzen darüber freuen.

Besonders schön in Izmir waren die Fährfahrten über die große Bucht. Obwohl zugegebenermaßen hat es uns auch das große, moderne Einkaufszentrum angetan, Starbucks, Decathlon und H&M gaben uns ein Gefühl der Vertrautheit. Nach über einem Monat Reisen tat uns das gut und wir konnten verlorene und kaputte Ausrüstung ersetzen.

Nachdem wir die letzten Tage weit ab vom nächsten Bahnhof verbrachten, war es auch schwierig auf der Seite der tükischen Staatseisenbahn, TCDD, Tickets zu kaufen. Der Nachtzug nach Ankara, der İzmir Mavi Treni, war auf die nächste Woche ausgebucht. Das kann einem bei uns auch passieren, mir wurde aber gesagt, dass es in der Nebensaison immer Tickets für den Schlafwagen gibt. Der Ausblick auf eine ganze Nacht im Sitzwagen oder die weite Strecke im Bus hat uns nicht sonderlich motiviert. Wir spielten wieder mit dem Gedanken, zurück nach Griechenland zu fahren, Georgien vielleicht ganz sein zu lassen, wir wollten nicht länger in dem Gebiet bleiben. Der Feiertag der Jugend, des Sports und an das Gedenken an Atatürk stand auch an, vielleicht war deswegen alles ausgebucht.

Kein Ticket für uns

Es war dann aber ganz undramatisch, am Tag vor der geplanten Weiterreise wurden wieder Abteile frei und wir waren schon unterwegs. Zumindest nach Ankara, weiter in den Osten, für den Doğu Ekspresi, gab es wieder keine Tickets.

Aber im blauen Zug war alles super, wir haben uns noch ein super Abendessen geholt, und sind dann den Sonnenuntergang entlang in unserem gemütlichen, großen Schlafwagenabteil Richtung Hauptstadt gefahren.

Am großen, modernen Bahnhof in Ankara verstand uns zwar am Schalter auch niemand, aber wir konnten dort ein Abteil für uns alle drei buchen. Im türkischen Liegewagen muss bei der Buchung das Geschlecht angeben werden, und das System ließ kein gemischtes Abteil zu. Wir mussten, um ein Abteil für uns gemeinsamzu haben, 4 Tickets kaufen, insgesamt € 65 waren dafür auch nicht schlimm. Der einzige Nachteil war, dass wir zwei Nächte in Ankara verbringen mussten, worauf wir nicht so große Lust hatten.

Vier Tickets für uns!

Die Stadt hat uns dann aber positiv überrascht, auch wenn es nicht immer einfach war sich zurecht zu finden. Dadurch dass Ankara in den letzten 100 Jahren von 20.000 Einwohnern auf 4 Millionen gewachsen ist, war das ganze ein wenig durcheinandergewürfelt, große Projekte reihten sich aneinander, nicht immer zusammenhängend. Es blieben aber noch einige interessante Parks und Spielplätze übrig, das hat uns schon gut für zwei Tage beschäftigt.

Der arme Gusti!

Wir waren auch recht viel unterwegs, da unser AirBnB recht mies war. Dafür war nichts in der Stadt besonders teuer und wir ließen es uns gut gehen. Vor allem das ein bisschen aus der Zeit gefallene edle Bahnhofsrestaurant hat es mir sehr angetan. Mit Einheimischen sind wir dort eher nicht ins Gespräch gekommen.

Kinderbetreuung am Bahnhof

Wir waren dann recht froh, als es weiter ging, der Ostexpress brachte uns ein deutliches Stück näher an unser Ziel.

Ich wurde ein bisschen nostalgisch, 10 Jahre zuvor bin ich in die ähnliche Richtung mit den Transasia-Express nach Teheran gefahren. Der Speisewagen wurde leider ein wenig downgegradet, aber es war noch immer super zum Teetrinken, Landschaft schauen und zum Unterhalten.

Gusti war der Star des Zuges, er wurde geherzt, geknuddelt, entführt, aber immer wieder zurückgebracht.

Saskia aus Berlin hat sich gefreut, sich wieder mal auf Deutsch unterhalten zu können, wir haben eine ähnliche Route geplant. Sie fährt aber bis zur Endstation des Zuges, nach Kars, von dort geht es dann auch nach Georgien. Uns war die Ankunftszeit dort aber zu spät, wir wollten es mit Gusti eher ruhig angehen. Wir haben uns aber schon ein Wiedersehen in Georgien vereinbart, vielleicht können wir gemeinsam wandern gehen.

Erzurum war dann eher unspektakulär, wir haben ein sehr schönes, gemütliches Hotel gefunden und sind nur zum Essen raus. Nur, eine Freudin aus alten United Games Tagen, kommt ursprünglich von dort und hat uns viele Empfehlungen geschickt, die sich leider nicht alle ausgingen.

Der Nachteil von der Route über Erzurum ist, dass es von dort nur mit kleinem Dolmus/Minibus weiter geht. Eigentlich gäbe es von Kars bereits eine neue Eisenbahnlinie nach Tbilisi, der Personenverkehr wurde aber aus unerklärlichen Gründen noch nicht aufgenommen. Die dafür gedachten edlen Schlafwagen sahen wir schon auf unserer letzten Reise in Baku rumstehen, aber die sammeln leider nur Rost.

Der Bus brachte uns dann nach einmal Umsteigen nur nach Hopa, der letzten Kleinstadt vor der Grenze. Eine Mitreisende aus Istanbul verhandelte einen guten Tarif für uns, deswegen fuhren wir dann mit dem Taxi zur Grenzstation. Kaum ausgestiegen, stürmten dann einige Gepäckträger auf uns zu und versuchten auf Russisch ihre Vorzüge zu beweisen, ganz enttäuscht ließen sie aber wieder von uns ab, nachdem ich die Räder von unserem Gefährt wieder aufsteckte und Sack und Pack selbst verlud.

Nun waren wir an der Grenze von Sarp/Sarpi, ein Riesenareal mit kilometerlangen LKW-Staus. Es ist die Hauptroute von der Türkei in den Kaukasus und bis nach Russland, es war einiges los. Zu Fuß ging es durch einen Fughafen-ähnlichen Komplex über die Grenze, relativ unspektakulär und wir haben keine Fotos gemacht.

Ein weiteres, etwas überteuertes Taxi weiter in Batumi waren wir endlich angekommen. Wir lieben Georgien, und auch wenn Batumi als Schwarzmeer-Las Vegas sicher nicht unsere liebsten Seiten des Landes verkörpert, es gab Khinkhali und wir hatten den beschwerlichsten Teil der Reise hinter uns. Die nächsten Tage verbrachten wir hauptsächlich mit Essen: Georgisch, Ukrainisch und beim McDonalds waren wir nur wegen der herausragenden Architektur.

Russisch ist wesentlich präsenter als bei unserem letzten Aufenthalt, oder wir verstehen mehr, Duolingo sei Dank bringt es mir zumindest mehr als Georgisch. Es sind viele Ukrainer, aber vor allem auch junge wehrfähige Russen, kriegsbedingt nach Georgien geflüchtet/ausgewandert. Den Graffitis nach zu beurteilen ist die heimische Bevölkerung sehr auf der ukrainischen Unterstützerseite, die Länder teilen auch eine schwierige Geschichte mit dem großen nördlichen Kolionalreich.

Wir fuhren aber recht rasch weiter nach Kutaisi, eine Stadt, die bei unseren letzen Besuch einen schönen Eindruck hinterlassen hat.

Auch wenn Georgien kein Eisenbahnparadies ist, wir hatten dann wieder einen großen, modernen Zug, mehr noch, Barbara aus Russland hatte einen riesigen Sack Spielzeug mit und hat gern mit Gusti geteilt.

Das Experiment

Da sind wir also: im All Inclusive. Wie hat es uns denn hierher verschlagen?

Wer uns etwas kennt, weiß, dass wir noch nie Cluburlaub gemacht haben. Wir buchen meistens nichtmal Hotels mit inkludiertem Frühstück, geschweige denn so ein Gesamtpaket.

Wir sind nach zwei kurzen Fährfahrten und einer Nacht Zwischenstopp auf Samos in der Türkei angekommen.
Wir haben nie geplant, mehr Zeit hier zu verbringen, uns zieht es nach Georgien.
Am Sonntag war aber die Wahl hier, in Österreich ist eh überdurchschnittlich viel berichtet worden. Wir waren uns nicht sicher, was diese bringen wird, zwischen kollektiver Feierlaune und Eskalation alles vorstellbar.
Also haben wir uns entschieden, den Wahlsonntag und die Tage danach in einem All Inclusive zu buchen – falls irgendwas ist, müssen wir nichtmal raus aus dem Areal und können uns sicher fühlen.
Außerdem, so haben wir mehrmals sinniert, muss es doch einen Grund geben, warum die meisten Familien auf diese Art urlauben! Wir MÜSSEN das einfach mal ausprobieren, gehört zur Lebenserfahrung, oder so.

Naja, die Wahl war dann ja etwas antiklimaktisch und wir fühlen uns nicht unsicher was die politische Lage betrifft.
Und ein Experiment ist es allenfalls. Ich sitz hier grade mit Gusti am Pool und schaue der Animation (Tanzen am Pool) zu. Alle trinken zuckersüße Cocktails und ich als einzige Mineralwasser (Romed ist inzwischen auf den Geschmack der Vodka-Slushies gekommen, den Geheimtipp hab ich von den polnischen Partytypen abgeschaut).


Romed hat gestern gesagt, er ist richtig erleichtert, dass es ihm nicht taugt – er hatte Angst, zu entdecken, wie toll All Inclusive ist und dann nicht mehr unsere Art von Urlaub machen zu können.


Ich würde mal sagen, die Gefahr besteht nicht.
Obwohl ich durchaus die Vorzüge erahnen kann – wenn man ca. 3x so viel ausgibt wie wir jetzt. Es ist alles mäßig bis schlecht und eigentlich müsste man halt trotzdem irgendwie immer extra was zahlen.
Sicher ist da die 24h Kaffeemaschine, aber der Kaffee ist schlecht, türkischer Kaffee kostet extra. Und so setzt es sich fort.
Das Essen ist so lala (hauptsächlich auf britische Geschmäcker abgestimmt), die Animateur*innen cringy, das Personal übertrieben freundlich – ich bin nicht sicher ob das eine Frage der Hotelkultur ist oder sie halt massiv um Trinkgeld buhlen.
Ein culture clash ist es auf jeden Fall mit uns – bei jedem Essen putzen wir pflichtbewusst Gustis Patzerei weg, weil wir es furchtbar unhöflich finden würden, alles so zu lassen. Das Hotelpersonal will es uns aber nicht machen lassen und so ist jede Mahlzeit ein Tanz der peinlich berührten Gesten um Gustis Essenshauferl.


Apropos, Gusti taugts hier extrem – beim Hotelbuffet gibts immer Babygeeignetes, alle finden ihn süß und grinsen ihn an und er hat viel Bewegungsfreiheit. Ich frage mich ständig, wann denn die Fremdelphase anfängt, denn Gusti liebt die Aufmerksamkeit von allen Seiten – ich sage ihm immer, das hat er von seinem Papa.



Kuşadası, oder zumindest der Bereich, in dem das Hotel ist, ist auch so gar nicht unseres. Die Strandpromenade, wo überall Ramsch verkauft und mit English Breakfast geworben wird macht uns ganz aggressiv, weil wir alle paar Meter von Touts angesprochen werden. Ich finde das ist so ein grässliches Phänomen, wenn ich wo essen gehen will, dann gehe ich dort hin, ich muss mich nicht von einem Typen hineinlocken lassen mit irgenwelchen doofen Sprüchen. Alles hier ist schirch und abgestimmt auf Geschmäcker, die nicht unsere sind – und ich hoffe,dass es auf unseren nächsten Stopps in der Türkei anders ist, denn sonst habe ich ein wahrscheinlich verfälscht schlechtes Bild von diesem Land.



Das Hotel selbst ist übrigens eigentlich gar nicht schirch, es war bestimmt mal total schick, aber es ist einfach sehr abgenutzt und vieles nicht zeitgemäß. Ein ganzes Stockwerk ist de facto ungenutzt als „TV Room/Sitting Area“. Beim Pool gibt es einen Fotoservice wo man sich nach einem kleinen Shooting direkt die Fotos ausdrucken lassen kann (hier sitzt den ganzen Tag ein älterer Herr ohne jegliche Aufgabe), Süßspeisen sind „stylisch“ in Wegwerfbechern mit Plastikbesteck angerichtet, obwohl daneben das normale Besteck steht. Für die Arkadenspiele zahlt man extra. Die Essenzeiten passen für uns als Jungfamilie gar nicht (Frühstück erst um 7.30! Abendessen erst um 19.30!). Am traurigsten ist aber der Spabereich. Als ich an unserem ersten Tag bei der jungen Frau an der Spa-Rezeption nach einer Massage fragte, war sie so nett und erfreut. Ich habe sie dann aber doch nicht gemacht, weil 75€ waren mir einfach zu viel (vor allem weil damit geworben wird, dass Spa inkludiert ist). Seitdem schaut sie mich bei jeder Begegnung mit so einem erwartungsvollen Blick an. Ich glaube, dass in der ganzen Zeit niemand eine Massage gebucht hat. Gestern ist sie dann mit der Masseuse ganz hektisch am Pool herumgewuselt und hat „free try massages 5 minutes!“ angeboten, um irgendwen einzufangen.

Ob wir so schnell wieder All Inclusive wagen, bezweifle ich. Ich schaue mich um, in die Gesichter der Leute, die um mich herum am Pool sind – die englische Familie, wo weder Eltern noch Kinder Spaß zu haben scheinen, die irische Großfamilie, die in der Sonne brät, die Gruppe polnischer Männer mittleren Alters mit den Hüten, wo ihre Namen drauf stehen, die die Poolbar leer trinken und ihre eigene Musik machen… und mitten drin wir, die das nackerte Baby herumkrabbeln lassen, über das schlechte Wifi jammern, ihre Wäsche mit der Hand waschen und am Balkon aufhängen und sich nach Bus- und Zugverbindungen erkundingen, die sich das Hotelpersonal gar nicht erklären kann („nach Selcuk“ – „nach Ephesos?“ – „Nein, wir wollen nach Selcuk“ – „???“)

Es sind einfach Welten, die hier aufeinander prallen. Ich verstehe nicht, warum die Irinnen mit den Haarextensions und den falschen Wimpern bei der Animation mit den Poolnudeln mitmachen und sie verstehen nicht, warum ich mit den gefladerten Wegwerfschlapfen aus dem vorherigen Hotel und unrasierten Beinen herumrenn. Und das ist auch ok so.
Und mir wird klar, dass das hier für uns nur ein kurzer Zwischenstopp unseres Abenteuers ist. Aber für die anderen ist es wahrscheinlich ihr ganzer Urlaub. Das hier ist alles. Ich hoffe einfach, dass sie Spaß haben, das beste aus den inkludierten Cocktails machen und bin dankbar für unsere Reise, die anders ist. Morgen geht es weiter.
Jetzt muss ich aber aufhören, das Zeitfenster für gratis Eis am Pool hat begonnen!

Ikaria

(Leider ohne Fotos, unser Internet ist gerade zu schlecht)

Ikaria ist die griechische Insel, von der wir nicht wissen, ob wir sie empfehlen sollen. Sie erfüllt alles, was wir uns von Urlaub wünschen, aber das liegt auch daran, dass sie relativ unbekannt ist und dementsprechend wenig überlaufen. Jetzt, im Mai, ganz besonders.
Ich denke bei unseren Reisen in letzter Zeit immer wieder an dieses Zitat, anscheinend von Hans Magnus Enzensberger: „Der Tourist zerstört das, was er sucht, indem er es findet“. Dies beschreibt mehr die Situation in Barcelona, Amsterdam oder Venedig, aber es wäre schlimm, wenn Ikaria das Schicksal von Mykonos blüht.

Zum Glück sind sie hier noch weit weg von blauweißer Kunstkulisse, Hotelkomplexen und privatem Strandzugang. Aber wenn man mit Einheimischen hier spricht, auch hier war Covid wirtschaftlich hart und sie hoffen auf eine starke Sommersaison. Der Strandourismus war anscheinend ganz ok, aber die Weinfeste fielen aus.



Vor sechs Jahren waren wir hier auf Flitterwochen, die Sorge war groß, dass der damalige Urlaub idealisiert in Erinnerung blieb und die Insel nicht mehr unseren Erwartungen entspricht. Aber die war unbegründet, obwohl wir uns dieses Mal nicht literweise Rotwein eingeschenkt haben, haben wir wieder wunderschöne Erinnerungen gesammelt. Es dreht sich natürlich alles um Gusti, aber wenn er joghurtverschmiert, nackt und lachend über die Terrasse krabbelt, dann möchte ich das niemals vergessen.

Die Reise her war wieder ein bisschen beschwerlicher. Es gibt zwar einen kleinen Flughafen an der Nordspitze der Insel, aber das war uns zu fad. Leider hat die derzeit einzige Fähre von Athen eine Abfahrt um Mitternacht, das ist schon ohne Baby eine Herausforderung. Mit Baby haben wir uns zur Sicherheit ein Zimmer im drittschlechtesten Hotel von Piräus genommen, leider haben wir nicht nach dem Stundentarif gefragt, sondern für die ganze Nacht mit Check Out um 23:30 gebucht. Wenn es schon nicht ganz sauber war, waren wir dann doch sehr erleichtert, dass es keine Ungeziefer gab. Bettwanzen ist jetzt noch mehr Horrorvorstellung als früher.

Verglichen mit dem Hotel war unsere Kabine auf der Fähre dann Luxus, mit der bisher besten Dusche auf dieser Reise. Zu perfekten Frühstückszeit kamen wir dann in der Hauptstadt von Ikaria, Agios Kirykos an. Pancake-Berge und Capuccinos hießen uns wilkommen. Das Apartment in der Altstadt, in dem wir einen Teil unserer Flitterwochen verbrachten, gibt es noch, es gehört aber einer Frau, die eigentlich in Brüssel lebt und die Wohnung als sehr abgelegenes Wochenendhaus nutzt.



So sind wir zum Ankommen ein paar Nächte in der Pension Akti am Hafen geblieben, es war schön, die Gegend wieder zu entdecken. Leider war das Wetter für Mai besonders frisch, deswegen war es praktisch, dass es dort ein paar Thermalquellen im Meer gibt. Gusti ist eine ziemliche Wasserratz, er pritschelt gern und lang. Das konnte er dann zur Genüge in der Woche, die wir auf der Nordseite der Insel, in Nas verbrachten. Mit einem kleinen Mietwagen konnten wir Ausflüge machen, verbrachten aber viel Zeit auf besagter Terasse mit Strandblick und der Gusti hat das Wäschschaffel dort für sich vereinnahmt. Er kann inzwischen mit Anhalten seitlich nach links gehen. Er manövriert sich dabei immer wieder in ein Eck und kann dann nicht weiter, also sind wir noch relativ sicher, dass er uns nicht abhaut. Zumindest nicht gehend, krabbelnd ist er schon richtig schnell und hat ein gutes Gespür für Dinge, die nicht babytauglich sind.



Eine Wanderung, die wir vor ein paar Jahren locker geschafft haben, war mit Gusti etwas schwieriger. Aber dann haben wir schöne Stunden in der Hängematte bei einem Gebirgsbach verbracht, und sind am Abend dann mit dem Auto für ein schwer verdientes Abendessen zu unserem eigentlichen Ziel gefahren, einem Bergdorf oberhalb der Schlucht neben unserem Apartment. Ein dort urlaubender Waliser war sich sehr sicher, dass ich keltisches Blut in mir trage, und hat mir kennend den roten
Bart gekrault. Tendentiell haben wir sehr schräge Menschen getroffen, eine amerikanische Schriftstellerin mit griechischen Wurzeln, die ihr letztes Buch vor ihrem natürlichen Ableben auf der Insel fertig schreiben will. Darin wird es ein Rezept für Weltfrieden geben, nur so viel sei schon verraten, Essen spielt eine zentrale Rolle. Vareniky für Frieden!

Bodenständiger hat mir Kostas von seiner Insel erzählt. Früher hatte er einen kleinen Laden auf der Insel, bis er von einer amerikanischen Familie als Immobilenverwalter und Handwerker angeheuert wurde. Er hat mehr als genug zu tun, aber für einen Kaffee ist immer Zeit. Auf einer Insel mit nur ca. 8000 Einwohnern kennt man sich schnell, wir sind uns immer wieder begegnet.

Irgendwann bleib i dann durt war aber nicht so stark spürbar, das Gespräch mit Aussteigern aus Süddeutschland hat mich doch träumen lassen. Aber noch ists nicht so weit, wir wollen außerdem wirklich weiter nach Georgien. Iris und ich spielen uns den Ball immer wieder zu, wenn sich eine von uns wünschen würde, den restlichen Urlaub auf Ikaria, oder zumindest in Griechenland zu verbringen, der andere wäre schnell überredet. Aber wir haben das Ziel, und mit dem Argument, dass wir leichter wieder hier her kommen, als in den Kaukasus, zieht es uns dann weiter in die Türkei. Für uns stellt sich nur die Frage: Vor oder nach der Wahl?

Wackel und Zahn(radbahn)

Die Überfahrt von Bari nach Patras ist wunderbar verlaufen, die Nacht war (gusti-verhältnismäßig) ruhig und den kommenden Vormittag haben wir noch in unserer Kabine gechillt. Die planmäßige Ankunft um 13 Uhr passte uns perfekt und wir waren dann sogar früher da.
Von Patras haben wir nicht viel gesehen, wir sind eine kaffige Küstenstraße entlang zum Busbahnhof marschiert, wo es auch super geklappt hat, den Bus 30min später nach Egio zu finden. Die einstündige Fahrt war bisher Gustis längste, wir konnten ihn aber gut beschäftigen und waren dann auch schon in Egio (auch Aigio transkribiert).
Dort mussten wir eine Stunde auf den Bus nach Rizomilos warten, aber haben inzwischen gut eingekauft. Unser erster Supermarktbesuch in Griechenland, da haben wir natürlich sofort Tsatsiki, gefüllte Weinblätter, Sesamringe und – unser allerliebster Reisesnack – eingelegte Riesenbohnen geholt. Ich liebe die griechische Küche einfach!

In Rizomilos waren wir zwei Nächte in einem hübschen Haus mitten im Nirgendwo und haben erstmal ein bisschen gechillt, bevor es weiter ging nach Diakofto.

Diakofto ist ein ganz wichtiger Zwischenstopp auf unserer Reise, denn von hier fährt die weltberühmte Odontotobahn nach Kalavryta und Romed träumte wohl schon länger davon, mit der zu fahren. Nachdem alle Inserate für Unterkünfte in der Umgebung damit werben, dachte ich mir, wird wohl was dran sein, und freute mich auch schon drauf.
In Diakofto angekommen fühlte ich mich gleich mal total wohl – es ist ein kleines Städtchen, nichts daran wirkt besonders, aber die Atmosphäre hat ich für mich einfach richtig angefühlt- manchmal habe ich einfach so ein Gefühl von „hier möchte ich gern bleiben“.

Romed ist dann gleich mal zum Bahnhof spaziert, wo oben die Schmalspurgleise für die Odontoto verlaufen und unten der riesige moderne EU-finanzierte Bahnhof für den Personenverkehr. Nur dass hier gerade nichts fährt, da noch immer so viele Strecken wegen dem Unglück von Tembi eingestellt sind. Alle die wir fragen, sagen, sie wissen nicht, wann wieder etwas fährt. Gerade diese Strecke ist eigentlich nigelnagelneu, sie war nur ganz kurz in Betrieb.
Romed kam dann mit einem ziemlich eingeschlafenen Gesicht zurück: ausgebucht! Es gab keine Tickets mehr für die nächsten Tage und es sei noch gar nicht klar, ob am 1. Mai überhaupt Betrieb sei- wahrscheinlich nicht! Er war so schlimm enttäuscht, er hat mir richtig leid getan.


Wir haben aber beschlossen, am nächsten Morgen nochmal zu fragen und sonst im schlimmsten Fall am Tag unserer Abreise zu fahren und dann halt direkt von der Bahn abends nach Athen und zur Fähre weiter… machbar und nicht unpassend, aber mit Gusti meiner Meinung nach eben nicht das entspannteste. Aber mal sehen, dachten wir uns und gingen in unsere sehr schöne Unterkunft.Es ist ein netten Haus in einer Siedlung etwas außerhalb, der Spaziergang hin führt durch lauter wunderbar verwachsene Gärten voll mit Rosenbüschen, Weinlauben und Zitrusbäumen. Und irgendwer ist hier guerilla-künstlerisch unterwegs, denn es gibt angemalte Zitronen und diverse Wassermelonenmotive in der Nachbarschaft zu entdecken.

Ich hab mich auch total gefreut, dass es zwei Schlafzimmer (jeweils Doppelbett) im Haus gibt. Zu dritt in einem normalen Doppelbett ist es halt manchmal doch eng und wenn wir die Möglichkeit haben, dass Romed über Nacht auswandert, schlafe ich in der Regel schon viel besser.
Also bezogen Gusti und ich das eine Bett, Romed machte noch einen Abendspaziergang am Meer und legte sich dann ins andere Zimmer.


Gusti war schon gut eingeschlafen und ich noch am Fernsehen am Handy, da rumpelte es irgendwie und ich dachte mir „Hm, die Waschmaschine schleudert… ach, wir waschen ja gar nicht.“ Ich überlegte dann noch, ob die Nachbarn oberhalb vielleicht waschen… oder ein riesiger LKW vorbeidonnert. Erst als ich sah, wie die Wände sich richtig bewegten, wurde mir klar, dass das ein Erdbeben sein muss. Ich habe in Österreich vielleicht in meinem Leben 2 oder 3 winzigkleine Erdbeben erlebt, gerade so, dass man „irgendwas“ spürt. Aber hier wackelte wirklich das Haus, man konnte es fühlen und sehen und hören.
Aber dann war es auch schon wieder vorbei, Romed ist ins Zimmer gekommen und wir schauten uns kurz entgeistert an, Gusti pennte friedlich weiter.
Google schickte uns sogleich eine Erdbebenwarnung mit Verhaltenstipps und einer ersten Richterskalaschätzung unseres Bebens aufs Handy, da war ich dann doch irgendwie alarmiert – 4,5, das ist aber nicht wirklich schlimm. Trotzdem hat Romed die Nacht dann doch bei Gusti und mir im Bett geschlafen, hat sich dann doch richtiger angefühlt.

Es ist dann aber alles ruhig geblieben, keine spürbaren Nachbeben mehr und auch nirgends etwas kaputt gegangen.
Also sind wir am nächsten Tag früh zum Bahnhof spaziert um zu fragen, ob es vielleicht doch Tickets für den ersten Mai gibt – und siehe da, wir hatten Glück. Ganz selbstverständlich hat uns die Frau am Schalter welche verkauft. Da waren wir richtig erleichert, nicht den ganzen Weg hierher umsonst gereist zu sein und auch noch einen Plan für den ersten Mai haben, wo voraussichtlich alles andere zu hat.

Den restlichen Tag haben wir bei nicht ganz so schönem Wetter mit ein bisschen Spazieren, Kochen und Chillen verbracht.

Hafen von Diakofto

Gestern in der Früh sind wir dann gemütlich los, der erste Zug fährt erst um kurz vor 10 ab. Die Odontotobahn hat vier moderne Garnituren und eine alte, noch fahrtüchtig. Man sieht sie im Depot direkt beim Bahnhof stehen. Um den Bahnhof herum stehen diverse alte Zügen, die vor sich hin rosten.
Fahren tut aber tatsächlich täglich nur eine und das mit nur 3 Wagen. Jeder Platz ist ausgebucht, und habe ich erwähnt, dass es eine Schmalspurbahn ist? Das heißt, viel kleiner als ein normaler Zug. Nun, es war wirklich sehr, sehr kuschelig da drin mit all den anderen Feiertagsausflüglern und Touris. Die Luft war dick, die Fenster zu öffnen nicht erlaubt, Gusti unruhig auf unseren Schößen, da er ja keinen eigenen Sitzplatz hat.

Trotzdem, die Fahrt war wirklich was besonderes. Nur wenige Momente fährt man mit der Bahn durch Diakofto, dann ist man ganz plötzlich in dem Graben drin, der nach Kalvryta führt. Durch hohe, scharfe Felswände tuckelt die Bahn einen rauschenden Gebirgsfluss entlang, alles ist ganz verwachsen von saftigen Bäumen mit Kletterplflanzen. In den Felsen sind immer wieder Höhlen zu sehen, in einer davon kraxelten Ziegen auf und ab.
Es ist also wirklich eine atemberaubende Strecke.
Das besondere an der Bahn ist aber, dass sie teilweise wie eine normale Bahn fährt, teilweise aber als Zahnradbahn. Zwischendurch wird es plötzlich langsamer, rumpelt ganz, ganz leicht und man ist auf dem anderen Antrieb. Hätte Romed es mir nicht (viel ausführlicher als ich hier) vorher erklärt, wärs mir gar nicht aufgefallen.

Ich habe dann, zwischen den anderen Touris, ein paar Fotos von einer der Stellen ergattert, wo der Zahnradantrieb anfängt.

Hier fährt die Bahn auf den Zahnradantrieb auf

In Kalavryta oben war es dann leider regnerisch und nicht sehr spannend, wir waren aber noch im Museum des Holocausts von Kalavryta , hier hat 1943 ein Massaker durch die Nazis stattgefunden. Das Museum ist in der alten Schule, die damals einer der Schauplätze des Verbrechens war und ist klein aber sehr gut gestaltet.

In dem Gebäude wurden damals die Dorfbewohner*innen eingesperrt und die Burschen und jungen Männer zu Exekution abgeführt, alle anderen mussten zurückbleiben. Die Frauen befreiten sich dann aus dem Schulhaus und beerdigten die Toten, die sie am den Klippen vorfanden. Ich stellte mir vor wie es sich anfühlen muss, von seinen Liebsten getrennt zu werden in so einer Situation und zu wissen, dass man sich nicht wiedersehen wird – es war also sehr beklemmend. Das Mahnmal vor dem Museum zeigt die Frau, die ihren toten Ehemann neben ihren Kindern zu Grabe bringt.

Mahnmal von Kalavryta

Dann sind wir auch schon wieder runter gefahren, Gusti war wieder bissi fad. Also hat er kurzerhand Romeds Sitznachbarin geschnappt und angegrinst, sie hat ihn sofort genommen und mit ihm gespielt und ihn gehalten, als gehöre er jetzt ihr. Wir fanden es komisch aber nett, Gusti hat sich riesig gefreut. Er fremdelt einfach noch gar nicht sondern liebt es, die Aufmerksamkeit fremder Leute zu erhaschen und sie zum Lächeln zu bringen. So hatte er also dank seiner Zugbekanntschaften auf der Rückfahrt auch noch ziemlich eine Gaude.

Heute geht es dann weiter nach Athen, wo in der Nacht unsere Fähre nach Ikaria geht. Die Bus- und Zugverbindungen sind leider ziemlich bescheiden, weshalb wir oft umsteigen werden müssen und wohl einige Stunden brauchen werden, obwohl es eigentlich gar nicht so weit ist. Hoffentlich meistern wir diese Etappe auch so gut wie die letzten.