Doğu

Nach unserem mittelprächigen Ausflug in die Welt des Cluburlaubs waren wir zumindest gut ausgeruht und bereit für den beschwerlicheren Teil der Reise. Mit Taxi und S-Bahn ging es erst nach Izmir, der drittgrößten Stadt der Türkei. Wir waren angenehm überrascht, nach dem sehr touristischen und unsympathischen Kusadasi gefiel uns das bisschen was wir von der Stadt sahen. Schon die Fahrt hin war für Gusti ein Abenteuer, er wurde von Wildfremden geherzt und geknuddelt, nur die junge iranische Ärztin, die laut Eigenangabe „mit Kindern üben muss“, fand er auch ein wenig unbeholfen und so wurde für sie nichts aus einen Richtungswechsel zur Pädiatrie. Wir hatten aber ein spannendes Gespräch mit ihr über die Situation in ihrer Heimat. Sie war auf der Heimreise, und konnte sich nicht aus vollen Herzen darüber freuen.

Besonders schön in Izmir waren die Fährfahrten über die große Bucht. Obwohl zugegebenermaßen hat es uns auch das große, moderne Einkaufszentrum angetan, Starbucks, Decathlon und H&M gaben uns ein Gefühl der Vertrautheit. Nach über einem Monat Reisen tat uns das gut und wir konnten verlorene und kaputte Ausrüstung ersetzen.

Nachdem wir die letzten Tage weit ab vom nächsten Bahnhof verbrachten, war es auch schwierig auf der Seite der tükischen Staatseisenbahn, TCDD, Tickets zu kaufen. Der Nachtzug nach Ankara, der İzmir Mavi Treni, war auf die nächste Woche ausgebucht. Das kann einem bei uns auch passieren, mir wurde aber gesagt, dass es in der Nebensaison immer Tickets für den Schlafwagen gibt. Der Ausblick auf eine ganze Nacht im Sitzwagen oder die weite Strecke im Bus hat uns nicht sonderlich motiviert. Wir spielten wieder mit dem Gedanken, zurück nach Griechenland zu fahren, Georgien vielleicht ganz sein zu lassen, wir wollten nicht länger in dem Gebiet bleiben. Der Feiertag der Jugend, des Sports und an das Gedenken an Atatürk stand auch an, vielleicht war deswegen alles ausgebucht.

Kein Ticket für uns

Es war dann aber ganz undramatisch, am Tag vor der geplanten Weiterreise wurden wieder Abteile frei und wir waren schon unterwegs. Zumindest nach Ankara, weiter in den Osten, für den Doğu Ekspresi, gab es wieder keine Tickets.

Aber im blauen Zug war alles super, wir haben uns noch ein super Abendessen geholt, und sind dann den Sonnenuntergang entlang in unserem gemütlichen, großen Schlafwagenabteil Richtung Hauptstadt gefahren.

Am großen, modernen Bahnhof in Ankara verstand uns zwar am Schalter auch niemand, aber wir konnten dort ein Abteil für uns alle drei buchen. Im türkischen Liegewagen muss bei der Buchung das Geschlecht angeben werden, und das System ließ kein gemischtes Abteil zu. Wir mussten, um ein Abteil für uns gemeinsamzu haben, 4 Tickets kaufen, insgesamt € 65 waren dafür auch nicht schlimm. Der einzige Nachteil war, dass wir zwei Nächte in Ankara verbringen mussten, worauf wir nicht so große Lust hatten.

Vier Tickets für uns!

Die Stadt hat uns dann aber positiv überrascht, auch wenn es nicht immer einfach war sich zurecht zu finden. Dadurch dass Ankara in den letzten 100 Jahren von 20.000 Einwohnern auf 4 Millionen gewachsen ist, war das ganze ein wenig durcheinandergewürfelt, große Projekte reihten sich aneinander, nicht immer zusammenhängend. Es blieben aber noch einige interessante Parks und Spielplätze übrig, das hat uns schon gut für zwei Tage beschäftigt.

Der arme Gusti!

Wir waren auch recht viel unterwegs, da unser AirBnB recht mies war. Dafür war nichts in der Stadt besonders teuer und wir ließen es uns gut gehen. Vor allem das ein bisschen aus der Zeit gefallene edle Bahnhofsrestaurant hat es mir sehr angetan. Mit Einheimischen sind wir dort eher nicht ins Gespräch gekommen.

Kinderbetreuung am Bahnhof

Wir waren dann recht froh, als es weiter ging, der Ostexpress brachte uns ein deutliches Stück näher an unser Ziel.

Ich wurde ein bisschen nostalgisch, 10 Jahre zuvor bin ich in die ähnliche Richtung mit den Transasia-Express nach Teheran gefahren. Der Speisewagen wurde leider ein wenig downgegradet, aber es war noch immer super zum Teetrinken, Landschaft schauen und zum Unterhalten.

Gusti war der Star des Zuges, er wurde geherzt, geknuddelt, entführt, aber immer wieder zurückgebracht.

Saskia aus Berlin hat sich gefreut, sich wieder mal auf Deutsch unterhalten zu können, wir haben eine ähnliche Route geplant. Sie fährt aber bis zur Endstation des Zuges, nach Kars, von dort geht es dann auch nach Georgien. Uns war die Ankunftszeit dort aber zu spät, wir wollten es mit Gusti eher ruhig angehen. Wir haben uns aber schon ein Wiedersehen in Georgien vereinbart, vielleicht können wir gemeinsam wandern gehen.

Erzurum war dann eher unspektakulär, wir haben ein sehr schönes, gemütliches Hotel gefunden und sind nur zum Essen raus. Nur, eine Freudin aus alten United Games Tagen, kommt ursprünglich von dort und hat uns viele Empfehlungen geschickt, die sich leider nicht alle ausgingen.

Der Nachteil von der Route über Erzurum ist, dass es von dort nur mit kleinem Dolmus/Minibus weiter geht. Eigentlich gäbe es von Kars bereits eine neue Eisenbahnlinie nach Tbilisi, der Personenverkehr wurde aber aus unerklärlichen Gründen noch nicht aufgenommen. Die dafür gedachten edlen Schlafwagen sahen wir schon auf unserer letzten Reise in Baku rumstehen, aber die sammeln leider nur Rost.

Der Bus brachte uns dann nach einmal Umsteigen nur nach Hopa, der letzten Kleinstadt vor der Grenze. Eine Mitreisende aus Istanbul verhandelte einen guten Tarif für uns, deswegen fuhren wir dann mit dem Taxi zur Grenzstation. Kaum ausgestiegen, stürmten dann einige Gepäckträger auf uns zu und versuchten auf Russisch ihre Vorzüge zu beweisen, ganz enttäuscht ließen sie aber wieder von uns ab, nachdem ich die Räder von unserem Gefährt wieder aufsteckte und Sack und Pack selbst verlud.

Nun waren wir an der Grenze von Sarp/Sarpi, ein Riesenareal mit kilometerlangen LKW-Staus. Es ist die Hauptroute von der Türkei in den Kaukasus und bis nach Russland, es war einiges los. Zu Fuß ging es durch einen Fughafen-ähnlichen Komplex über die Grenze, relativ unspektakulär und wir haben keine Fotos gemacht.

Ein weiteres, etwas überteuertes Taxi weiter in Batumi waren wir endlich angekommen. Wir lieben Georgien, und auch wenn Batumi als Schwarzmeer-Las Vegas sicher nicht unsere liebsten Seiten des Landes verkörpert, es gab Khinkhali und wir hatten den beschwerlichsten Teil der Reise hinter uns. Die nächsten Tage verbrachten wir hauptsächlich mit Essen: Georgisch, Ukrainisch und beim McDonalds waren wir nur wegen der herausragenden Architektur.

Russisch ist wesentlich präsenter als bei unserem letzten Aufenthalt, oder wir verstehen mehr, Duolingo sei Dank bringt es mir zumindest mehr als Georgisch. Es sind viele Ukrainer, aber vor allem auch junge wehrfähige Russen, kriegsbedingt nach Georgien geflüchtet/ausgewandert. Den Graffitis nach zu beurteilen ist die heimische Bevölkerung sehr auf der ukrainischen Unterstützerseite, die Länder teilen auch eine schwierige Geschichte mit dem großen nördlichen Kolionalreich.

Wir fuhren aber recht rasch weiter nach Kutaisi, eine Stadt, die bei unseren letzen Besuch einen schönen Eindruck hinterlassen hat.

Auch wenn Georgien kein Eisenbahnparadies ist, wir hatten dann wieder einen großen, modernen Zug, mehr noch, Barbara aus Russland hatte einen riesigen Sack Spielzeug mit und hat gern mit Gusti geteilt.

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